Inkongruente Gewinnausschüttungen: Finanzverwaltung folgt dem Bundesfinanzhof
Das neue Schreiben vom Bundesfinanzministerium über inkongruente Gewinnausschüttungen ist ab sofort anzuwenden. Was es zu beachten gilt.
Der Bundesfinanzhof hatte der Finanzverwaltung mit Urteil vom 28. September 2022 ausdrücklich wie folgt widersprochen: Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, unterliegt als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung. Das Bundesfinanzministerium wendet diese Rechtsprechung nunmehr an.
Nach dem neuen Schreiben des Bundesfinanzministeriums, das in allen noch offenen Fällen anzuwenden ist, sind inkongruente – also vom Anteil am Stammkapital einer GmbH abweichende – Gewinnausschüttungen steuerlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind. Dies ist insbesondere in folgenden Fällen gegeben:
Abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag
Es wurde im Gesellschaftsvertrag ein anderer Verteilungsmaßstab als das Verhältnis der Geschäftsanteile festgesetzt und die Ausschüttung entspricht diesem Verhältnis.
Dabei gilt, dass für eine nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertrags zur Regelung einer inkongruenten Gewinnverteilung die Zustimmung derjenigen Gesellschafter erforderlich ist, die hiervon nachteilig betroffen sind.
Öffnungsklausel
Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Klausel, nach der mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter eine von der satzungsmäßigen oder gesetzlichen Regelung abweichende Verteilung beschlossen werden kann. Der Beschluss wurde mit den erforderlichen Zustimmungen und der gegebenenfalls im Gesellschaftsvertrag bestimmten Mehrheit gefasst.
Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss
Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist der Besteuerung zugrunde zu legen.
Ein derartiger Beschluss liegt vor, wenn sich seine Wirkung als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll.
Ein satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschluss, der einen vom Satzungsinhalt abweichenden Zustand mit Dauerwirkung (sei es auch nur für einen begrenzten Zeitraum) begründet, ist selbst bei einem einstimmigen Beschluss nichtig, wenn bei der Beschlussfassung nicht alle Bestimmungen einer Satzungsänderung (insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister) eingehalten werden.
Zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung
Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28. September 2021 ist ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallene Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen.
Dies gilt auch dann, wenn zugleich die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden. Die Einstellung in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen.
Bei einer Aktiengesellschaft sind inkongruente Gewinnausschüttungen nur anzuerkennen, wenn in der Satzung ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht.
Eine inkongruente Gewinnausschüttung aufgrund einer Öffnungsklausel oder eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses erfüllen diese Voraussetzung nicht.
Quelle: BMF-Schreiben vom 4.9.2024, Az. IV C 2 - S 2742/19/10004 :003