So will Karl Lauterbach die Arzneimittel-Engpässe beseitigen
Die Zahl der Lieferengpässe bei Arzneimitteln alarmiert jetzt auch die Politik. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat ein Eckpunktepapier zur Verbesserung der Versorgungslage vorgelegt. Wir stellen den Inhalt vor.
Verantwortlich für die Arzneimittel-Knappheit seien die Globalisierung, der starke Kostendruck bei der Generika-Industrie, unerwartet steigende Nachfragen sowie Produktions- und Lieferverzögerungen für Vorprodukte. Daher wolle man strukturelle Maßnahmen im Generika-Bereich vornehmen, insbesondere Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten, zur Einführung von Standortkriterien bei der Versorgung und zur frühzeitigen Erkennung sowie Vermeidung von Versorgungsengpässen. Ein Schwerpunkt der Maßnahmen ist die Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln.
Eckpapier zur Vermeidung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln
Das Eckpunktepapier enthält verschiedene Maßnahmen. Im Folgenden stellen wir Ihnen alle fünf detailliert vor. Folgende fünf Maßnahmen enthält das Eckpunktepapier
Verbesserung der Versorgung mit Arzneimitteln für Kinder
Der Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen beim BfArM (Beirat) erstellt eine Liste von Arzneimitteln, die für die Sicherstellung der Versorgung von Kindern erforderlich sind. Für diese Arzneimittel dürfen zukünftig keine Rabattverträge abgeschlossen und keine Eingruppierungen in Festbetragsgruppen vorgenommen werden. Bestehende Festbeträge werden aufgehoben. Die Gesetzliche Krankenversicherung übernimmt künftig für versicherte Kinder und Jugendliche die Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln bis zum 1,5-fachen Festbetrag.
Rabattverträge bekommen Standortkriterium
Bei Rabattvertragsausschreibungen soll künftig ein zusätzliches Los nach dem Zuschlagskriterium »Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU« vergeben werden. Diese Regelung bezieht sich zunächst auf Arzneimittel zur Behandlung onkologischer Erkrankungen sowie auf Antibiotika. Zur Verbesserung der Versorgungssicherheit wird zudem für rabattierte Arzneimittel vertraglich eine mehrmonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung vorgesehen.
Höhere Festbeträge bei wenigen Anbietern möglich
Sind in einer Festbetragsgruppe nur noch wenige Anbieter, kann der Beirat bei einem sich abzeichnenden Versorgungsengpass die Empfehlung aussprechen, den Festbetrag auf das 1,5-fache anzuheben oder die Festbetragsgruppe aufzulösen. Außerdem soll die Grenze der Zuzahlungsbefreiung bei Festbeträgen angehoben werden. Abgabepreise, die mindestens 20 Prozent niedriger sind als der Festbetrag, können von der Zuzahlung befreit werden.
Verbesserung der Arzneimittelversorgung in Apotheken
Apotheken erhalten eine Aufwandspauschale von 0,50 Euro, wenn versorgungskritische Arzneimittel nach Rücksprache mit dem Arzt abgegeben werden. Für Arzneimittel, bei denen der Beirat eine kritische Versorgungslage festgestellt hat, gelten vereinfachte Austauschregelungen. Zum Beispiel dürfen Apotheken bei Nicht-Verfügbarkeit auch nicht-rabattierte Arzneimittel abgeben, auseinzeln oder stückeln. Patienten, die aufgrund von Engpässen im Wege der Auseinzelung versorgt werden, sollen von der Zuzahlung entlastet werden. Des Weiteren soll die Zuzahlung bei Abgabe von Einzelpackungen bei nicht lieferbaren verordneten größeren Packungen auf die Zuzahlung des verordneten Arzneimittels begrenzt werden.
Verfahren zur frühen Erkennung von Versorgungsengpässen
Der Beirat beobachtet den Arzneimittelmarkt, um Versorgungsengpässe und Marktverengungen bei versorgungskritischen Arzneimitteln zu erkennen. Dazu erhält der Beirat zusätzliche In-formationsrechte gegenüber pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern.
Kritik der ADBA
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening äußert sich in einer Pressemitteilung kritisch zu dem Vorhaben. Sie begrüße es grundsätzlich, dass sich die Politik nun endlich der katastrophalen Zustände bei den Lieferengpässen mit lebenswichtigen Arzneimitteln annehme. Auch die Entlastung der Patienten bei den Mehrkosten und die Änderung der Rabattverträge sei richtig. Allerdings sei die Höhe des Zuschlags nicht ausreichend, um den teils stundenlangen Arbeitsaufwand auszugleichen. Außerdem sei der bürokratische Aufwand hoch. Sie bezweifelt, dass solch ein Cent-Aufschlag die Versorgungssicherheit stabilisieren oder gar verbessern wird. Ein höheres Honorar wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Apotheken gewesen, so Overwiening. Doch so könne man dieses Almosen wohl kaum bezeichnen.