Skonto-Urteil erschüttert Branche
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von Anfang Februar 2024 zählen auch Skonti zu den Preisnachlässen für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx-Arzneimittel), die nur noch aus dem Höchstzuschlag der Vorlieferanten von maximal 3,15 Prozent gewährt werden dürfen. Das hat für die Apotheken zur Folge, dass ihnen bei Ausschöpfung dieses Spielraums durch Rabatte keine darüber hinausgehenden Skonti auf Rx eingeräumt werden dürfen.
Der Generalbevollmächtigte der Treuhand Hannover, Dr. Sebastian Schwintek, erklärte gegenüber der Deutschen Apotheker Zeitung: »Der Wegfall der Möglichkeiten für eine Skontogewährung durch Großhandel und Direktlieferanten über die Grenze der prozentualen Großhandelsspanne von 3,15 Prozent hinaus wird den Negativtrend sinkender Rohgewinnsätze weiter beschleunigen. Das hat zur Folge, dass den meisten Apotheken nochmals deutliche Einbußen an Betriebsergebnis drohen. Da die Konditionen individuell sind, lassen sich die Auswirkungen nur nach Erfahrungswerten abschätzen: Eine Apotheke von durchschnittlicher Umsatzgröße könnte danach gut 22.000 Euro Ergebnis verlieren – das wären rund 16 Prozent oder etwa 0,50 Euro pro Packung. Geld, das auch fehlt, um die ohnehin schon defizitäre Versorgung von GKV-Versicherten mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu kompensieren.« Bereits seit 2020 erzielten die Apotheken aus der gesetzlichen Honorierung nur noch negative Stückerträge, erinnert Schwintek. Diese beliefen sich schon bereits im Februar 2023 auf mindestens -0,46 Euro pro Packung, nachdem der Apothekenabschlag zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen auf 2,00 Euro erhöht worden war. Diese Unterfinanzierung habe ihre Ursache in der fehlenden Anpassung des Apothekenhonorars über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren.
Die BGH-Entscheidung und ihre Folgen
Das Urteil ist gefällt, noch unklar ist aber, wie schnell und in welcher Form es durch die Vorlieferanten im Rahmen ihrer Konditionen umgesetzt wird. Das wird auch von der schriftlichen Urteilsbegründung abhängen, die erst in einigen Wochen oder Monaten vorliegen wird. Es ist davon auszugehen, dass Hersteller und Großhändler grundlegende Vergütungsänderungen planen und über neue Angebote an die Apotheken nachdenken werden.
Die Folgen für die Apotheken lassen sich grob abschätzen. Unsere Analysen aus dem letzten Jahr besagen, dass eine durchschnittliche Apotheke Skonti in der Größenordnung von 20.000 bis 25.000 Euro pro Jahr erhalten hat. Skonti beim Großhandel werden meist nur auf »normale« Rx gewährt. Als grobe Faustregel für viele Apotheken gilt: Etwa ein Drittel des Monatseinkaufs wird skontiert. Bei den Herstellern wird meist der gesamte Umsatz skontiert. Durch unsere Einkaufsberatungen haben wir einen guten Marktüberblick: Größere, verhandlungsstarke Apotheken bekommen einen deutlich höheren Anteil skontiert und sind damit absolut stärker betroffen.
Spezialgroßhändlern oder auch den Re-Importeuren wird mit dieser BGH-Entscheidung eine wesentliche Geschäftsgrundlage entzogen.
Kompensation möglich?
Fakt ist, dass bei fast allen Apotheken die 3,15 Prozent Spanne bereits ausgeschöpft ist; das heißt es wird zwangsläufig zu Einbußen kommen. Wie hoch diese ausfallen, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Den Lieferanten wird klar sein, dass sie den Apotheken nicht alle Vorteile entziehen können, ohne die Lieferbeziehung zur Apotheke zu gefährden. Zusätzlich besteht die Gefahr von Verwerfungen beim Großhandel, die Liquiditätseinbußen bringen könnten.
Denkbar ist, dass es in gewissem Maße zu Kompensationsmaßnahmen kommt. Folgende Punkte könnten relevant werden:
a) Wegfall oder Reduzierung des Handelsspannenausgleichs
b) Erhöhung der Vergütung für bisherige Rabattausschlüsse, Sonderartikel oder bei der Non-Rx-Ware (OTC, Freiwahl)
c) Werbekostenzuschüsse oder andere nicht Rx-bezogene Boni,
d) Servicegebühren
e) Angebot einer verzinsten Vorauskasse.
Ob sich mit dem Urteil auch die Zahlungsmodalitäten ändern werden, ist offen. Das Gericht hat dazu festgestellt, dass die Ware nach dem gesetzlichen Grundsatz eigentlich sofort nach Erhalt bezahlt werden muss. Da aber die Fälligkeit der Forderung zur Disposition der Vertragsparteien steht, muss sich an der im Handelswesen üblichen Praxis von Zahlungsfristen von bis zu vier Wochen gibt für Apotheken nichts ändern.
In den Medien und von Vertretern der Berufspolitik wird diskutiert, den Kassenabschlag zu reduzieren oder abzuschaffen. Das ist eine nachvollziehbare Forderung, auch wenn der Kassenabschlag selbst nicht allein eine Skontofunktion hat, sondern als »Großkundenrabatt« mit gesetzlicher Grundlage im Sozialgesetzbuch V geregelt ist. Da die Einsparungen des Abschlags jedoch den Kassen und damit auch den Versicherten seit jeher zugutekommen, dürfte eine deutliche Änderung allerdings schwer durchzusetzen sein. Seitens der Bundesregierung wurde lediglich angekündigt, die Auswirkungen des Skonto-Urteils zu prüfen und bei der anstehenden Apotheken-Reform zu berücksichtigen.
Die Entscheidung hat Auswirkungen auf alle Bereiche, in denen die Ertragssituation der Apotheken eine Rolle spielt: also auch auf den Apothekenverkauf. Wer will es dem Käufer verdenken, dass wenn der jetzt erst einmal abwartet, welcher Kaufpreis sich für ihn rechnet?
Für viele ertragsschwächere Betriebe dürfte sich in 2024 die Existenzfrage stellen: Zu möglichen Kostensteigerungen (zum Beispiel Mehrausgaben beim Personal 2023 durchschnittlich circa 16.000 Euro) kämen Roherträge im Rückwärtsgang, die sich unmittelbar negativ auf das Betriebsergebnis auswirken. Dies dürfte nicht ohne Auswirkungen auf die Versorgungslandschaft bleiben.
Die Treuhand Hannover steht Ihnen als branchenspezifische Steuer- und Wirtschaftsberatung auch in diesen schwierigen Zeiten mit steuerlicher und betriebswirtschaftlicher Fachexpertise an Ihrer zur Seite.
- Guido Michels
Diplom-Ökonom,
Stellvertretender Leiter der Abteilung BetriebswirtschaftTelefon: 0511 83390 -191