Erlöse als Prüfungsschwerpunkt im digitalen Zeitalter
Der Fokus von Außenprüfungen des Finanzamts lag in der Vergangenheit auf der Ausgabenseite. Speziell die Aufwendungen für den Besuch von Seminaren, Abgrenzungen zwischen der privaten und der beruflichen Sphäre sowie die Privatanteile des beruflich genutzten PKWs waren häufige Kritikpunkte durch das Finanzamt.
Die Einnahmen waren eher nebensächliche Prüfungspunkte, die sich im Wesentlichen auf das Zahlenmaterial der KZV- beziehungsweise der KV-Abrechnung und der privaten Verrechnungsstellen beschränkten. Durch das wachsende Potenzial der individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) setzten die Prüfer des Finanzamtes ihr Hauptaugenmerk vermehrt auf die Vollständigkeit der Einnahmenseite. Wesentlicher Bestandteil bei Außenprüfungen ist somit auch die Abrechnungssoftware der Praxis geworden, die eine zentrale Rolle spielt bei der Feststellung, ob alle Einnahmen vollständig erfasst worden sind.
IGeL im Fokus des Finanzamts
Vor einer Außenprüfung wird sich der Prüfer einen Überblick verschaffen, welche Leistungen die Praxis öffentlich bewirbt. Daher ist die Webseite eine wichtige Informationsquelle. Mittels Praxisbesichtigung können sich die Erkenntnisse erweitern, da der Prüfer im Wartezimmer ausliegende Prospekte, Plakate und das Wartezimmer-TV begutachtet. Auch die Geräte in der Praxis werden mittels deren Zähler, Behandlungsstunden, Wartungsintervallen etc. ausgewertet. Dieses Datenmaterial wird verwendet, um eine Mengenverprobung (zum Beispiel mit eingekauftem Material) durchzuführen und Indizien zu finden, ob Leistungen nicht offiziell abgerechnet worden sind.
Welche Vorbereitungen trifft der Prüfer?
Mit der Prüfungsanordnung wird oft ein EDV-Fragebogen zu der Software in der Praxis versandt. Das Finanzamt hat eine eigene »Hilfsdatenbank« für jede eingesetzte Software, um sich mit dieser vertraut zu machen und gezielte Auswertungsmöglichkeiten zu nutzen. Die Umsätze der IGeL werden oft selbst abgerechnet und befinden sich daher im Abrechnungssystem der Praxis, welches zur Vollständigkeits-Prüfung herangezogen werden kann.
Auf welche Daten darf der Prüfer des Finanzamts zugreifen?
Die Prüfer dürfen kraft Gesetzes direkt auf das Abrechnungssystem zugreifen, der »Z1- und/oder Z2-Zugriff«. Oft wird aber nur vom Z3-Zugriff Gebrauch gemacht, indem die notwendigen Daten auf einem Datenträger (zum Beispiel einer CD) dem Finanzamt zur Verfügung gestellt werden. Mittels dieser Zugriffe werden diverse Menüpunkte wie das Rechnungsausgangsbuch, Stornobuchungen, Briefköpfe oder Terminkalender vom Finanzamt analysiert und ausgewertet. Das Finanzamt darf aber lediglich auf Daten zugreifen, die durch eine Aufzeichnungspflicht begründet werden, mit der auch eine Aufbewahrung eingeht.
Eine der klassischen Prüfungsmethoden ist die Lückenanalyse des Rechnungsausgangsbuches. In dieser Analyse werden die fortlaufenden Rechnungsnummern auf Lücken überprüft. In den Abrechnungsprogrammen gibt es die Möglichkeit, das Rechnungsausgangsbuch um die stornierten und/oder gelöschten Rechnungen zu bereinigen und diese auszublenden. Jedoch löscht das System diese nicht vollständig, sondern es besteht weiterhin die Möglichkeit, diese Rechnungen wieder sichtbar zu machen.
Es ist daher ratsam, eine saubere Dokumentation über die Gründe der Stornierungen und Löschungen zu führen. Auch eine Gegenzeichnung des Patienten von Preisnachlässen ist von Vorteil. Um der eigenen Verschwiegenheitspflicht gerecht zu werden, ist es wichtig, ein Rechnungsausgangsbuch auszugeben, das keine Patienteninformationen beinhaltet. Hierzu kann Ihr Abrechnungssoftware-Anbieter Sie beraten.
Werden diese grundsätzlichen Punkte beachtet, hat das Finanzamt keine Grundlage für eine Hinzuschätzung aufgrund von Rechnungsnummernlücken. Neben der Lückenanalyse bedienen sich die Prüfer auch statistischer Daten des Abrechnungssystems und interpretieren diese und stellen Abweichungen fest.
Datenzugriff trotz Berufsgeheimnis?
Ein Verstoß gegen das Berufsgeheimnis ist in Deutschland strafbar. Im Rahmen einer Außenprüfung kann es zu Reibungen zwischen der Mitwirkungspflicht als Steuerpflichtiger und der Verschwiegenheitspflicht als Berufsträger kommen. Vertrauliche Patientendaten dürfen auch den Außenprüfern nicht vorgelegt werden.
Es ist dem Berufsträger möglich, eine Patientenakte zurückzuhalten und damit seinem Berufsgeheimnis gerecht zu werden. Wenn aber dem Finanzamt dadurch verwehrt wird, eine steuerlich relevante Tatsache zu prüfen, kann dies den Ausgang der Betriebsprüfung negativ beeinflussen. Hat das Finanzamt zum Beispiel Anhaltspunkte für steuerpflichtige Leistungen an einen Patienten und kann diese nicht abschließend prüfen, da keine Auskunft über Diagnosen und Behandlungsmethoden gegeben wird, wird die Leistung der Umsatzsteuer unterworfen werden, auch wenn eine Steuerfreiheit unter Umständen gegeben wäre.
Ein Datenzugriff durch das Finanzamt kann nicht umgangen werden, weil steuerliche und personenbezogene Daten nicht getrennt werden können. Es liegt in der Verantwortung des Steuerpflichtigen, beider Pflichten nachzukommen und seine Daten dementsprechend zu organisieren und zu verwalten. Es ist daher sinnvoll, an dieser Stelle Abrechnungsprogramme einzusetzen, die eine »Prüfer-Einsicht« beziehungsweise Anonymisierung der Daten ermöglichen.
Der Einsatz geeigneter Software macht nicht nur Ihnen das Leben leichter, sondern fällt auch im Rahmen einer Betriebsprüfung positiv auf. Datenschutz erfährt im heutigen Zeitalter einen sehr hohen Stellenwert. Er steht in einer gewissen Kongruenz mit dem Berufsgeheimnis. Aufgrund der heutigen Leistungsvielfalt einer Praxis und der damit eingehenden Komplexität von Organisationsvorgängen wird die Erstellung einer Verfahrensdokumentation unerlässlich sein.