Das AvP-Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof
Die Insolvenz der AvP Deutschland GmbH sorgte in den vergangenen Monaten immer wieder für Aufsehen. Die Treuhand Hannover führt für einen ihrer Mandanten ein Musterverfahren, um die strittige Rechtsfrage nach der zutreffende umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage gerichtlich klären zu lassen. In einem Interview nimmt nun einer unserer Experten Stellung zum beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren.
Bereits im Artikel »Treuhand Hannover zieht vor den Bundesfinanzhof« haben wir über das oben angesprochene Musterverfahren berichtet. Inzwischen ist das Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Im Interview mit Steuerberater Franz Nicolas Keil klären wir alle wichtigen Fragen rund um das anstehende Gerichtsverfahren beim Bundesfinanzhof.
Wie ist der aktuelle Stand zum Thema?
»Im Verfahren vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg unterlagen wir leider. Das Gericht hat die Revision jedoch zugelassen. Das Revisionsverfahren wird beim Bundesfinanzhof inzwischen unter dem Aktenzeichen XI R 15/22 geführt.«
Treuhand Hannover vor Bundesfinanzhof: Ticker zum Musterverfahren
Wie sind die Erfolgsaussichten beim Bundesfinanzhof? Wann rechnen Sie mit einem Urteil?
»Die Erfolgsaussichten sind schwierig abzuschätzen. Die Tatsache, dass das Finanzgericht Baden-Württemberg die Revision zugelassen hat bedeutet jedoch, dass es die Frage nach der im vorliegenden Fall zutreffenden umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage für klärungsbedürftig hält. Deshalb sind wir verhalten optimistisch. Die Verfahrensdauer können wir nicht abschätzen.«
Was bedeutet das anhängige Verfahren für die von der AvP-Insolvenz betroffene Mandantschaft?
»In erster Linie wird natürlich der Kläger und Revisionsführer vom Urteil des Bundesfinanzhofs betroffen sein, denn der Bundesfinanzhof entscheidet über den individuellen Einzelfall des Klägers.
Wir werden bei den Finanzgerichten, vor denen wir noch Verfahren führen, anregen, dass die Entscheidung des Bundesfinanzhofs in der Sache abgewartet wird. Für die Mandanten, welche noch Einspruchsverfahren führen, werden wir das Ruhen der Einspruchsverfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs beantragen. Hier haben die Finanzämter keinen Ermessensspielraum; die Einspruchsverfahren müssen ruhend gestellt werden.«
Was bedeutet das anhängige Verfahren für von der AvP Insolvenz betroffene Apotheker, welche nicht von der Treuhand Hannover betreut werden?
»Alle Betroffenen können versuchen, laufende Verfahren vor den Finanzgerichten mit Verweis auf das anhängige Verfahren vor dem Bundesfinanzhof ruhend zu stellen. Das gilt unabhängig davon, ob sie von uns oder von jemanden anders steuerlich beraten werden. Gleiches gilt für die betroffenen Apotheker, welche noch Einspruchsverfahren vor den Finanzämtern führen und nicht unsere Mandanten sind. Auch diese können natürlich mit Hinweis auf unser anhängiges Revisionsverfahren das Ruhen der Einspruchsverfahren beantragen. Wie bereits erwähnt, haben die Finanzämter die Einspruchsverfahren ruhen zu lassen.«
Können die Betroffenen noch auf anderem Wege vom Revisionsverfahren profitieren?
»Ja. Die Umsatzsteuerfestsetzungen für das Jahr 2020 dürften bei der großen Mehrheit der Betroffenen unter dem sogenannten Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Dies bedeutet, dass die Betroffenen bei einem für die Apotheken positiven Verfahrensausgang einen Änderungsantrag bei ihrem Finanzamt stellen können. Des Weiteren kann jetzt schon eine sogenannte Vorläufigkeit bezüglich des beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahrens beantragt werden. Wird die Umsatzsteuer 2020 vom Finanzamt insoweit vorläufig festgesetzt, kann eine Änderung der Steuerfestsetzung bezüglich der Umsatzsteuer auf die AvP Umsätze auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist noch erfolgen.«
Was raten Sie den Betroffenen?
»Ich empfehle, die Umsatzsteuer 2020 auf jeden Fall offenzuhalten, bis das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof beendet worden ist.«
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